Zwei Wochen, zwei Wanderpokale: Nach dem Sieg beim Knower Bowl in Kelkheim hängen die Wanderers einen weiteren dran und gewinnen Rhein-Main-Bowl XX in Wiesbaden. Damit verteidigen sie den Titel bei Deutschlands ältestem Flag-Football-Turnier zum zweiten Mal und haben ihn jetzt dreimal in Folge gewonnen. Mit Annika Lehmann, Justin Tron und Tim Hochstein standen auch wieder drei Neulinge im Kader, die sich achtbar geschlagen und ihren Teil zum Erfolg beigetragen haben. Besonders Justin Tron glänzte mit einigen sehenswerten Catches. Gemeinsam mit Florian Best bildet er ein vielversprechendes Nachwuchs-Duo auf der Receiver-Position. Ein besonderer Dank geht an Mike Dominik und sein Team der Wiesbaden Phantoms Allstars, die bei Rekordtemperaturen von 40 Grad nicht nur für einen reibungslosen Ablauf des Turniers, sondern mit Wassertonnen auch für Abkühlung der Teams sorgten. Mike Dominik: „Es war ein Heat Bowl!“

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Siegerehrung: Joe Palzer und Mike Dominik (links und rechts)
überreichen die Pokal an die Walldorfer 
Matthias Bieniek (Mitte links) und Justin Tron.

Just-in-Time-Lieferungen sind in der Automobilindustrie üblich. Die Teile kommen an der Fabrik an und werden sofort verbaut. Was passiert, wenn die Lieferungen der Zulieferer ausbleiben, war in der vergangenen Woche bei VW zu beobachten: Die Produktion kommt ins Stocken. So ist das oft auch im Flag-Football. Wenn nur noch wenig Zeit auf der Uhr ist und Punkte gebraucht werden, muss in der Offense alles passen damit die Touchdown-Produktion nicht ins Stocken kommt. In dieser Situation waren die Wanderers bein Rhein-Main-Bowl mehrmals. Glücklicherweise haben sie mit Quarterback Benjamin Klever einen der zuverlässigsten Ball-Zulieferer in ihren Reihen.

Der erste Just-in-Time-Auftrag erreichte Klever in der Zwischenrunde gegen Kelkheim: Mit etwa einer Minute zu spielen und ausgeglichenem Spielstand brauchten die Wanderers einen Scoring-Drive, um das Spiel mit dem Schlusspfiff zu gewinnen. Auftragsgemäß empfing Center Matthias Bieniek die Lieferung von Klever mit fünf Sekunden auf der Uhr in der Endzone. Der zweite Just-in-Time-Auftrag kam im Finale gegen die Lalo Greyhounds. Mit etwa 30 Sekunden vor der Halbzeit startete die Offense an der eigenen Fünf-Yard-Linie. Line-up. Snap. Klever trifft Fabian Achenbach kurz vor der Mittellinie. Line-up. Snap. Unvollständig. Eile, aber keine Panik. Line-up. Snap. Alle Receiver rennen tief in die Endzone. In der rechten Ecke schleicht sich der immer zuverlässige Marian Becker weg von seinem Verteidiger. Klever findet ihn mit einer präzisen Luftpost. Just in time. Coach Carsten: „Ich liebe gutes Clock-Management.“

Gerade noch rechtzeitig erreichte auch Safety Vasili Kartselos am Nachmittag das Team. Durch eine Verletzung von Chris Hippmann war der ohnehin schon dezimierte Kader der Walldorfer weiter geschrumpft. Mit der Verstärkung durch Kartselos konnte die Defense umstellen und Receiver Fabian Achenbach musste nicht länger beide Wege gehen, also Angriff und Verteidigung spielen. Vasili gab gleich im ersten Spiel seinen Einstand und fing einen Pass ab. Den lieferte er dann auch gleich selbst in der Endzone ab.

Das Finale gegen die Lalo Greyhounds hatte nach Klevers 30-Sekunden-Drive noch einen zweiten Teil. Bis in die zweite Hälfte war das Spiel noch eng. Doch dann entschieden die Wanderers die Partie vorzeitig mit einem 12-Punkte-Swing, als sie Punkte der Greyhounds durch eine Interception verhinderten und dann selbst einen Touchdown erzielten. So ein Swing kommt im Football schon öfter mal vor, ist aber ein besonderes Erlebnis, wenn man beide Wege spielt und das Glück hat an beiden Plays beteiligt sein zu dürfen:

Nachdem Chris verletzt ausgeschieden war, hatte der Autor dieses Berichts und Verteidiger, Jonathan Vorrath, die Ehre, seinen Platz in der Offense einzunehmen. Beide Wege zu spielen ist so schon immer ein intensives Erlebnis, bei dieser Hitze war es aber besonders spannend. Im Finale spielten wir zum zweiten Mal an diesem Tag gegen Lalo. Deren Offense hatte im ersten Spiel den Ball gut gegen uns bewegt. Das wollten wir diesmal natürlich ändern. In der ersten Halbzeit glückte es uns nicht und wir gaben einen Touchdown ab. Mein Match-up war oft Ufuk Yildirim. Der schnelle Receiver der Greyhounds ist eine der Haupt-Anspielstationen seines Quarterbacks. Im ersten Match hatte er mich auf einer Post-Route tief geschlagen, als ich einen falschen Schritt beim Cut gemacht hatte. Glücklicherweise ließ er den Ball aber fallen. Wenn der Corner einmal fällt, versucht man es später natürlich gerne nochmal. Im selben Spiel kam tatsächlich nochmal der Post, diesmal war ich besser dran und der Pass war abermals unvollständig. Jetzt zum Finale: Während der gesamten ersten Hälfte war Ufuk keinen Post gelaufen. Ich war mir aber sicher, dass die Greyhounds meinen falschen Schritt aus Spiel 1 nicht vergessen hatten und es auch noch ein drittes Mal versuchen würden. In der zweiten Halbzeit war es dann soweit: Ufuk rennt los und macht nach 5 Yards seinen harten Post-Cut. In freudiger Erwartung habe ich mich bereits nach links gedreht und kann deshalb sofort in die Mitte des Feldes sprinten. Der Quarterback legt den Ball hoch in Ufuks eigentlichen Laufweg, wo jetzt ich renne. Der Ball ist lange in der Luft und ich habe lange Zeit darüber nachzudenken, wie ich ihn am besten fange. Nachdem ich an dem Tag bereits zwei Interceptions habe fallen lassen, ist nur ein Gedanke in meinem Kopf: „Verkack das jetzt nicht!“ Glücklichweise lassen mich mein Hände aber nicht im Stich und es gelingt mir den Ball zu fangen. Der anschließende Return ist wenig inspiriert und endet kurz vor der Mittellinie. Manchmal hätte ich gerne die flinken Beine von Chris (Hippmann, Receiver #6).

Dann hatte ich nur kurz Zeit den Ball an der Sideline der Greyhounds abzugeben. Die Offense wartete bereits im Huddle. Kaum war ich da, kam schon der Playcall von Benny. Für mich gab’s eine tiefe Route in die Endzone. Wahrscheinlich, um die Verteidigung auseinander zu ziehen und so die kürzeren Routen frei zu spielen. Dann ging es schnell: Set. Hut. Snap. Vollgas. Warum dreht sich der Safety denn nicht mit??? Moment mal: Da geht was!! Ich schau zurück, sehe Benny mit dem Blitzer tanzen. Ich rufe seinen Namen und winke dabei freundlich. Tatsächlich sieht er mich und hievt den Ball über das halbe Feld in meine Richtung. Oh oh, wer die Klappe aufreißt, macht dann besser auch den Catch. Bennys Pässe fliegen so hoch, dass Schnee drauf ist, wenn sie wieder runter kommen. Das ist einerseits gut für die Reichweite, gibt einem aber auch viel Zeit über den Catch nachzudenken. Und da ist wieder der Gedanke von eben: „Verkack das jetzt nicht!“ Dann fällt der Ball, der Safety fliegt nochmal durch mein Bild und dann hab ich das Leder im Arm. Die Freude ist groß.